Chronik

17 mir, sondern aus gemeinsamer Arbeit im Dachverband von Schalke-Freund Dietmar Biedermann, dem Erfinder der Fan- Zeitschrift „Das Sprachrohr“, die heute noch unter der Obhut von Schalke-Boss Rolf Rojek wächst, blüht und gedeiht. Ich spürte: Der wildgewordenen Sau muss ich noch zwei Sätze hinzufügen: Wir wollen uns Freunde machen und niemanden vor den Kopf stoßen. Der Schalke-Freund Klaus Schröer leitete eine Werbefirma und setzte diese zwei Zeilen zweimal fachmännisch in einem Spruchband um. Die erste Busfahrt Da ich mit Monika und Dieter Bremmert gut befreundet war, wählte ich deren Busfirma. Es wurde der Horrortrip eines Chaotenclubs. Hier hatten offenbar einige gewaltbereite, sogenannte Fans unseren Vereinsnamen „Wir lassen die Sau raus“ als Aufruf zur Randale missverstanden. Ergebnis: Die Polstersitze waren mit blau-weißer Schminkfarbe beschmiert worden, fünf Nothämmer waren entwendet worden, und was das Schlimmste war: leergetrunkene Bierflaschen, von denen reichlich viele konsumiert wurden, wurden nicht in die Bierkästen zurückgestellt. Vertrauend darauf, dass auch die schlimmsten Dinge ihr Ende finden würden, hatte ich vorne neben dem Fahrer Platz genommen. Holger Finke, ein zuverlässiger Kamerad, der hinten die ganze Sauerei mitbekommen hatte, kam nach vorne und erwartete, dass ich dem kümmert er sich um die Finanzen. Er ist auch unser Finanzexperte. Gleichzeitig ist er auch ein wandelndes Lexikon. Wenn ich eine Frage, ein Spiel betreffend, hatte, konnte ich ihn meist am Telefon erreichen und bekam die passende Antwort. Da wir noch bei der Gründungsversammlung sind, muss ich noch zwei Namen erwähnen, und die lauten nicht nur Alexandra Schmidt, sondern auch Reinhard Wilde. Fangen wir mal mit Reinhard Wilde an: Er war ein bekennender SchalkeFreund. Er besaß schon1989 eineumfangreiche Videoaufzeichnungs- Sammlung von möglichst allen Schalke- Spielen, an denen ich meine helle Freude hatte. Um Schalke-Fan zu sein, fehlte ihm ein kleines Quentchen Aggressivität, also ein Hang zur Randale, durch die sich gerade die damaligen Fans „auszeichneten“, weshalb er aber auch nicht ganz dem SchalkeBild entsprach, wie sich die gewaltbereiten Fans einen Schalker vorstellen. Reinhard musste von einigen Schalke-Fans wohl bitter enttäuscht worden sein, weil er nicht der „wilde“ Reinhard war, sondern der grundkorrekte, ordentliche Reinhard Wilde. Etwas Tragik schwingt inmirmit, wenn ich diese Zeilen schreibe. Alexandra Schmidt, die Siebzehnjährige, war das ganze Gegenteil. Sie war mit blau-weißem Wasser getauft, und ihr erstes Wort, das sie im Babyalter von sich gab, war „Lalle“, was unschwer in „Schalke“ übersetzt werden muss. Sie begleitete mich zu vielen Fahrten „auf Schalke“, anstelle von Henner Lehneke und Bernd Römling. Es tut mir heute noch leid, dass der Lehrer, der auf einer Stufe steht mit dem Pfarrer, dem Schauspieler und dem Schwätzer, dass der Schwätzer in mir durchkam und ich sie mit meiner ganzen Aggressionstheorie bekannt machen wollte. Das bringt mich zu der Frage: Wie konnte ich ausgerechnet einem Schalke-Fanclub den Namen „Wir lassen die Sau raus“ geben? Dass ganz nebenbei auch gerade randalierende Jugendliche angelockt werden sollten, hat viele tief enttäuscht, weil das deutlichere Motto „Jubeln Ja, Randale Nein!“ lautete. Das hatte sich noch nicht genügend verbreitet. Dieser gute Slogan stammt übrigens nicht von Treiben ein Ende setzen sollte, indem ich die Randalierer mit scharfen Worten zur Rede stellen sollte. Holger sagte nur zu mir: „Wolfgang, da hinten sieht es aus wie Sau!“ Aber ein tief sitzender Instinkt hinderte mich daran, den „Larry raushängen zu lassen“. Heute sehe ich ganz klar, dass dies eine Frucht aktiver Toleranz meines christlichen Weltbildes war. Ich fühlte mich schlicht überfordert. Der hässlichste und bitterste Beigeschmack dieser ersten Busfahrt war das Ende der Freundschaft mit demBusunternehmen Bremmert. Alle Sympathien, die Dieter Bremmert zu Anfang empfunden hatte, waren durch diese eine Fahrt aufgebraucht. Seine herbe, ungeschminkte Kritik teilte er mir direkt mit. Sie lautete etwa so: „Was habt ihr Chaoten denn mit meinem schönen Bus gemacht? Wenn ich dich, Wolfgang, nicht so gut kennen würde, hätte ich eine Strafanzeige gestellt.“ Und dann wurden unsere Missetaten alle penibel aufgezählt. Ich fühlte mich nicht gut, denn ich stellte mich der Kritik, nur meine Fans nicht. Sie spielten die „beleidigte Leberwurst“. Ich habe mir den Rat unseres Holger Finke zu Herzen genommen. Als wir über den Bericht sprachen, sagte er, weil ich in der Gefahr stehe, mich zu sehr in meine eigenenWorte zu verlieben:„Das muss aber kein Roman werden! Kurz und knapp!“ Ich versuchemit Stichwörternden Schluss meines Berichtes anzupeilen: Da wäre erst mal das Stichwort Euro-Fighter. Die Fans machten daraus einen Song, der auf die Melodie „O my darling, o my darling, o my darling Clementine“ zurückgeht. Der Text lautet: Wir schlugen Trabson, wir schlugen Roda, FC Brügge sowieso, Valencia, Teneriffa, Inter Mailand, das war die Show! Ich wünsche unserem Fanclub weiterhin alles Gute. Euer Wolfgang Stratenwerth Wir schlugen Trabson, wir schlugen Roda, FC Brügge sowieso, Valencia, Teneriffa, Inter Mailand, das war die Show!

RkJQdWJsaXNoZXIy MTYwMTc1MQ==